Seiteninhalt
 

Laves-Kulturpfad

Rund um das Schloss Derneburg ist der kulturhistorische Rundwanderweg, der "Laves-Kulturpfad" entstanden, auf dem neben verwunschener Natur so interessante Bauten wie ein Pyramidenmausoleum und ein griechischer Tempel zu besichtigen sind. Das ehemalige Kloster Derneburg wurde in Folge der Anbindung des Fürstentums Hildesheim an das neue Königreich Hannover 1814 dem Grafen Ernst zu Münster vom englischen und hannoverschen König geschenkt. Der Graf gestaltete zusammen mit seinem Baumeister Georg Ludwig Friedrich Laves rund um das Schloss einen englischen Landschaftsgarten, dessen reizvolle Reste heute viele Besucher nach Derneburg ziehen. In dem ehemaligen Gewächshaus der Schlossgärtnerei ist ein Ausflugscafé und eine Kulturzentrum untergebracht.

In geschichtsträchtiger Umgebung finden im Glashaus zahlreiche Ausstellungen, Konzerte, Theaterveranstaltungen, Lesungen und die verschiedensten Festivals statt, die Derneburg weit über die niedersächsischen Landesgrenzen hinaus bekannt gemacht haben. Das Schloss Derneburg und seine Domäne wurden im Jahr 2006 von dem amerikanischen Kunstsammler Andrew Hall gekauft, der hier seine zeitgenössische Kunstsammlung ausstellt.

Der Beginn

Im Jahre 1815 bekam der hannoversche Staats- und Kabinettsminister Graf Ernst zu Münster das ehemalige Kloster Derneburg von dem englischen König Georg III als Verdienst für seine Leistungen auf dem Wiener Kongress geschenkt. Das Gebäude war vollkommen verwahrlost und musste von dem neuen Schlossherren erst bewohnbar gemacht werden. Der kunstliebhabende Graf fasste bald den Entschluss, einen Landschaftsgarten im englischen Stil um das Schloss anzulegen. Für diese Aufgabe sucht er sich den hannoverschen Baudirektor Laves. Ihr gemeinsames Interesse an der Kunst als auch ihre enge Zusammenarbeit bei hannoverschen Bauvorhaben machten sie zu idealen Partner bei der Gestaltung des Derneburger Landschaftsgartens.

G.L.F. Laves

Georg Ludwig Friedrich Laves wurde am 17. Dezember 1788 im niedersächsischen Uslar geboren. Als jüngster Sohn des Pfarrers Ernst Friedrich Laves und seiner Frau Ernestine Amalie wuchs Laves in den bescheidenen Verhältnissen einer Pfarrei auf. Der schon frühzeitig an Architektur interessierte Laves kam nach dem Tod seines Vaters 1804 mit 16 Jahren zu seinem Onkel Jussow nach Kassel und wurde Schüler der Bauakademie, die sein Onkel leitete.

Die Ausbildung zum Baumeister bedeutete für Laves zunächst eine 3-jährige Ausbildung im Zeichnen. Danach besuchte Laves für wissenschaftliche Studien 2 Jahre lang die Universität Göttingen. 1815, nach einer 13-monatigen Italienreise, begann seine umfangreiche Tätigkeit für die Residenzstadt Hannover, die ihn in eine Reihe mit Klenze und Schinkel, den Architekten von München und Berlin, rückt. Laves wurde zum angesehensten Architekten der Hofgesellschaft und führte neben zahlreichen privaten Aufträgen fast alle öffentlichen Bauvorhaben der Stadt Hannover durch.

Die erfolgreichste Schaffensperiode von Laves liegt zwischen 1817 und 1829. Er traf mit seinen Entwürfen den geltenden Zeitgeschmack und hatte sich den Ruf eines brillanten und zuverlässigen Architekten erworben. Er war Zeit seines Lebens ein höfischer Architekt und dem Klassizismus verpflichtet. Wie die alten Familien des Hofadels verlor Laves als deren Baumeister spätestens ab Mitte des 19. Jh. an Bedeutung. Laves starb am 30. April 1864 in seinem 76. Lebensjahr.

Graf Ernst zu Münster

Graf Ernst Friedrich Herbert zu Münster wurde am 1. März 1766 in Osnabrück geboren und stand im Dienst des Vereinigten Königreiches und des Hauses Hannover. Nach seinem Jura-Studium in Göttingen trat Münster 1788 in den hannoverschen Staatsdienst ein und reiste von 1793 bis 1798 mit dem späteren Herzog von Sussex nach Italien, wo sie die Kunst und Kultur des Landes studierten. Münster hatte in Rom Kontakt zu dem deutschen Künstlerkreis um Angelika Kauffmann und lernte später auch die Maler Johann Wilhelm Tischbein, Jakob Philipp Hackert und Christoph Heinrich Kniep kennen. Der kunstliebhabende Graf sammelte nicht nur Kunst, sondern malte auch selber, wie das große Selbstportrait mit seiner Frau Wilhelmine und seinem Sohn Georg Herbert eindrucksvoll bestätigt.

1805 wurde Münster zum Staats- und Kabinettsminister des englischen Königs ernannt und auf dem Wiener Kongress von 1814 vertrat er die Interessen des englischen Könighauses, das über Hannover herrschte. Unter seiner Verhandlung bekam das neue Königreich Hannover das gesamte Bistum Hildesheim übereignet. Für diese Verdienste erhielt er von König Georg IV. das säkularisierte Kloster Derneburg aus den neuen Besitzungen zum Geschenk. In Derneburg gestaltete Münster das ehemalige Kloster zu einem repräsentativen Schloss unter Beibehaltung der klösterlichen Architektur um. Die Klosterkirche wurde zu einem Drittel abgetrennt, es entstand ein großes Eingangsgewölbe und ein Kunstsaal, in dem Münster seine Kunstschätze versammelte. Um das Schloss herum ließ Münster von Laves einen englischen Landschaftsgarten anlegen.

Die nationalen Einheits- und Unabhängigkeitserhebungen gegen die Restaurationsbestrebungen gipfelten 1830 in der Julirevolution in Frankreich und 1848 in der Märzrevolution in Deutschland. In diesem Zusammenhang wurde Münster 1831 aus dem Amt als Staats- und Kabinettsminister entlassen und zog sich auf sein Schloss in Derneburg zurück. Am 20. Mai 1839 starb Ernst Graf zu Münster und wurde ein Jahr später in dem von Laves neu erbauten Mausoleum beigesetzt.

Klassizismus

Die Wiederentdeckung der Antike als großes kulturgeschichtliches Vorbild bestimmte die Zeit um 1800. Eine nicht zu überbietende Begeisterung für das Griechische erfasste alle Lebensbereiche. In der Kunst orientierte man sich in Thema und Gestaltung an den klassischen Werken. Vorreiter der Bewegung in Deutschland war Johann Joachim Winckelmann, der das Wort von der „edlen Einfalt und stillen Größe“ der Griechen geprägt hatte. In diesen Qualitäten sah man den Ausweg und das Heilmittel gegen das als dekadent empfundene 18. Jahrhundert.

In der Architektur vollzog sich zu dieser Zeit der Umbruch von Einflüssen des Barocks zu denen der Aufklärung und des Rationalismus. An die Stelle komplizierter, bewegter Fassaden und Raumdurchdringungen traten einfache Grundformen, sparsame Gliederungen und Dekorationen. Es wurden insbesondere griechische und zum Teil auch ägyptische Stilelemente verwendet.

Der Tempel

Als erstes Projekt des Derneburger Landschaftsgartens und im Zeichen der Griechenverehrung baute Laves 1827 einen dorischen Tempel auf dem Donnerberg. Wesentliches Merkmal der griechischen Architektur ist der Gliederbau mit den tragenden Säulen und dem lastenden Gebälk ohne die Verwendung von Wölbungen. Die dorische Säule hat gegenüber der ionischen keine Basis, und ihr schlichtes Kapitell besteht aus einem wulstförmigen Ring mit quadratischer Deckplatte. Dieser Stil einer schwergewichtigen Ästhetik war um die Jahrhundertwende zu einem Merkmal progressiven Bauens geworden und beeinflusste Laves ebenso wie die anderen deutschen Architekten Gilly, Schinkel und Klenze.

Ursprünglich wies der Zugang zum Tempel, der an seiner Rückseite liegt, auf eine lange, von Eichen gesäumte Allee, die jedoch nach dem 2. Weltkrieg abgeholzt wurde. Außerdem stand der Tempel frei von Bewaldung und bildete, von weitem sichtbar, eine Blickachse mit dem Schloss. Vor ihm befand sich auf einem barocken Sockel ein Denkmal von 1752, das Josef mit dem Christuskind zeigte – ikonografisch ein seltenes Motiv. Auch diese Statue verschwand in der unruhigen Nachkriegszeit. Der Tempel, im Volksmund Teetempel genannt, diente dem Grafen als Aussichtspunkt, von dem aus er den Besuchern seine Gartenanlagen und Besitzungen zeigen konnte. Im Inneren befand sich ein Kaminzimmer, in dem Münster die englische Sitte des Teetrinkens zelebrierte.

Das Mausoleum

Im Todesjahr des Grafen Ernst zu Münster, 1839, erhielt Laves den Auftrag, ein würdiges Grabmal für den Herren von Derneburg zu entwerfen. Jetzt sollte der klassizistische Architekt endlich Gelegenheit bekommen, eine in seinen Entwürfen immer wiederkehrende Idee zu verwirklichen: die ägyptische Steilpyramide. Die massive, geometrisch-symmetrische Formensprache der ägyptischen Baukunst wurde vom Klassizismus gerne übernommen. Als Student hat Laves Zeichnungen ägyptischer Bauwerke und Plastiken auf aufs Genaueste kopieren müssen. Sicherlich waren ihm die Radierungen Piranesis vom alten Rom bekannt und damit auch die im Jahre 12. v. Chr. erbaute Cestius-Pyramide, die ihm als Vorbild gedient haben mag. Die Derneburger Pyramide ist etwas mehr als 11 Meter hoch und ihr Böschungswinkel beträgt 61 Grad. Die mit dem Münsterschen Wappen versehene Tür umläuft ein doppelt umwundener ägyptischer Rundstab, und eine ägyptische Hohlkehle mit doppelreihigen Blattspitzen verziert den Eingang. Bei aller Verehrung des ägyptischen Totenkultes blieb das Mausoleum durch ein großes Kreuz über dem Eingang als eine christliche Begräbnisstätte erkennbar. Auf der steinernen Tür war ursprünglich eine den Freimaurern zuzuordnende Grabinschrift lesbar: „Ewig ist die Fortschreitung zur Vollkommenheit, wenngleich am Grabe die Spur vor dem Auge verschwindet“.

In der Pyramide sind der Graf Ernst zu Münster, seine Frau und ihre Töchter in Sarkophagen aufbewahrt. Seitlich von der Pyramide liegt sein Sohn Fürst Georg Herbert Münster zu Derneburg, seine älteste Tochter Marie, „die treue Tochter ihres Vaters“ (Grabinschrift) und eine Tochter des Grafen Ernst zu Münster. In den Grabstätten vor der Pyramide ruhen die folgenden Generationen der Familie zu Münster: Alexander Fürst zu Münster, zweiter Sohn von Georg Herbert, seine Frau Muriel und ihr Sohn Friedrich Graf zu Münster, der im Volksmund als Graf Fredi noch heute bekannt ist. Das keltische Hochkreuz auf dem Grabmal der Fürstin Muriel deutet auf ihre Herkunft aus Schottland hin.

Das Glashaus

Für die Schlossgärtnerei entwarf Laves ein Gewächshaus, einen Zweckbau, der sich in die Gesamtkonzeption Derneburgs einpassen musste. Das Gewächshaus kommt dem klassizistischen Bedürfnis nach flächiger Gestaltung sehr entgegen. Laves konstruierte einen strengen 3-teiligen Bau, dessen einziger Schmuck die gusseiserne Ornamentik der Stützsäulen ist. Im westlichen Teil befand sich das Feigenhaus, im hinteren Mittelteil war die Heizungsanlage und auf der östlichen Seite das Weinhaus untergebracht. Die ständige Nutzung als Gewächshaus und die damit verbundenen Reparaturen und Umgestaltungen hatten das Gebäude im Laufe der Zeit stark verändert und das Original unkenntlich gemacht.

Erst die Sanierung und der Umbau zu dem Derneburger Kultur- und Veranstaltungszentrum ließ die alte Struktur wiederentstehen. Die historische 3-Teilung ist wieder aufgenommen: In der Mitte des Gebäudes bietet das „Café im Glashaus“ seinen Service an, das alte Weinhaus beherbergt einen Ausstellungsraum, und das ehemalige Feigenhaus ist zum Veranstaltungsraum geworden. Hier ist die Dauerausstellung „G.L.F. Laves und Ernst zu Münster: Der Derneburger Landschaftsgarten“ aufgebaut, die in Wort und Bild über die Zusammenarbeit von Münster und Laves sowie über die historischen Hintergründe informiert. Im Glashaus finden zahlreiche Kunstausstellungen, Konzerte, Lesungen, Theaterveranstaltungen und die verschiedensten Kulturfestivals statt.

Mehr Informationen

Die Brücken

Der Klassizismus tauchte in Europa zusammen mit den ersten Vorboten der Industrialisierung auf. Seinen baulichen Ausdruck fand das neue Zeitalter in Derneburg in der Konstruktion der von Laves entworfenen Brücken. Wie auch das Glashaus mit seiner Gusseisenkonstruktion, stehen die Brücken im Kontrast zu seinen an der Vergangenheit orientierten Bauten.

Das neue Konstruktionsprinzip, auch „Lavesbalken“ genannt, bringt die Druck- und Zugkräfte in einem Tragesystem zum Ausgleich: Der Tragbalken wird der Länge nach aufgeschlitzt, die Balkenenden fest miteinander verbunden und die obere Balkenhälfte (der Druckgurt) und die untere Balkenhälfte (der Zuggurt) auseinandergespreizt. Dieses System erlaubt eine zierliche Bauweise beim Überspannen längerer Strecken. In Derneburg entstanden 1838 drei Brücken nach Plänen von Laves: Eine breite Fahrbrücke aus Eichenholz, eine Laufbrücke mit Wassergerinne, ebenfalls aus Eichenholz und eine schmiedeeiserne Fußgängerbrücke, die alle jeweils über die Nette führten. Nur die Fußgängerbrücke überlebte das 19. Jh., bis auch sie 1946/47 durch Hochwasser zerstört wurde. Die beiden anderen Holzbrücken hielten nicht länger als 50 Jahre.

1992 hat die Gemeinde Holle mit Hilfe des Landschaftsverbandes Hildesheim e.V. einen Wiederaufbau der Fußgängerbrücke ermöglicht. Die schön geschwungene Brücke hat einen Linsenträger aus Eisen und einen Überweg aus Holzbohlen. Die Fußgängerbrücke konnte aber nicht an ihrem alten Standort aufgebaut werden, wie sie heute in den Privatgarten des Schlosses führen würde. Ein detailgenauer Nachbau der Brücke war aufgrund denkmalschützerischer Einwände deshalb nicht möglich. Das Geländer ist nicht mit Zierringen versehen und läuft auch nicht, wie von Laves vorgesehen, in Sandsteinquadern aus. Dennoch vermittelt die Brücke, die heute einen Seitenarm der Nette überspannt, einen Eindruck, der dem Original von einst sehr nahe kommt.

Schloss Derneburg

Am Anfang der Derneburger Geschichte steht ein Mord, den der Graf Hermann I. von Winzenburg an seinem Vasallen Burchard I. von Loccum begehen ließ. Aus Sühne für diese Tat wurden ihm 1130 alle Würden und Lehen entzogen. Seine Nachfolger übertrugen 1143 den Hof in Derneburg dem Bischof Bernhard von Hildesheim mit dem Wunsch, „dass an diesem Orte für das Gedeihen der heiligen Religion vom Bischöfe Maßregeln genommen und befestigt würden“. Diese Maßregeln ließen aber noch 70 Jahre auf sich warten, erst 1213 übergab der Bischof Hartbert den neuen kirchlichen Besitz seiner Bestimmung, in dem er den Konvent der Augustiner-Nonnen aus Holle nach Derneburg verlegte. In den nächsten 100 Jahren vollzog sich eine beispiellose Macht- und Besitzerweiterung des Klosters Derneburg, das sich unzählige Grundstücke und Zehntabgaben der umliegenden Dörfer einzuverleiben wusste. Der übermäßige Reichtum führte in den Folgejahren zu einer schlechten Wirtschaft und einem verschwenderischen und unabhängigen Leben der Klosterschwestern.

Anfang des 14. Jahrhunderts verarmte das Kloster, und die klösterlichen Sitten wurden von den Schwestern immer weniger eingehalten. Anfang des 15. Jahrhunderts versuchte der Reformator Johannes Busch den Nonnen ihr „höchst ungebundenes Leben“, das „aller Klosterzucht Hohn“ sprach, auszutreiben. Er entging nur knapp einem Mordanschlag, der den Augustinerinnen zur Last gelegt wurde, und sein Nachfolger Heinrich Barnten, der Abt von Marienrode, ließ das Kloster im Jahr 1443 kurzerhand räumen und übergab es dem Reformorden der Zisterzienserinnen.

Die weltlichen als auch religiösen Kriege machten dem Kloster Derneburg in den nächsten Jahrhunderten schwer zu schaffen. Mit der Reformation wurde es in ein lutherisches Kloster umgewandelt, das sich bis ins 17. Jahrhundert im Besitz der Herzöge von Braunschweig befand. Als es dann wieder in die Hände des Bischofs von Hildesheim zurückkam, waren die Gebäude dem Einsturz nahe, und das Kloster hoch verschuldet. Den Grundstein für den noch heute sichtbaren Reichtum Derneburgs legten nun die Mönche des Zisterzienserordens, unter denen sich der Abt Arnu durch seine Baufreudigkeit besonders auszeichnete. Unter seiner Verwaltung wurde 1735 der Grundstein für den Neubau der barocken Klosterkirche gelegt, und die landwirtschaftlichen Gebäude der Domäne errichtet. Arnus Nachfolger, Abt Edmund Sieden, brachte danach das Kloster durch seine Versuche, Gold herzustellen, in eine riesige Schuldenlast, so dass ihm der Fürstbischof 1775 einen Administrator bestellte.

Mit der Auflösung des Klosters im Jahr 1803 durch die Preußen wurde Derneburg zu einer preußischen Domäne, die 4 Jahre später französische Truppen besetzten. Beide plünderten den reichen Besitz restlos aus, und als Derneburg mit dem gesamten Bistum Hildesheim nach dem Wiener Kongress 1814 an das welfische Königreich fiel, fand der neue Besitzer, Graf Ernst zu Münster, das ehemalige Kloster in einem völlig verwahrlosten Zustand vor. Der reiche Grundbesitz garantierte ihm dennoch eine garantierte jährliche Einnahme von 6000 Talern.

Graf Ernst zu Münster behielt bei seinen Umbauten zu einem repräsentativen Schloss den klösterlichen Eindruck der Gesamtanlage bei. Mit der mittelalterlichen und barocken Klosterarchitektur waren im Landschaftsgarten neben dem griechischen Tempel und der ägyptischen Pyramide die großen Epochen der Kulturgeschichte vertreten. Aus diesem Grund blieb die Klosterkirche erhalten und nahm die reiche Kunstsammlung des Grafen auf. Sein Sohn Georg Herbert teilte nicht die kunsthistorische Auffassung des Vaters, ihm stand der Sinn nach einem romantischen Schloss, so wie er es aus England kannte. Diese schwierige Aufgabe übernahm Laves, und mit einer aus denkmalpflegerischer Sicht nicht zu vertretenden Radikalität riss er 1846 zwei Drittel der Klosterkirche ab und öffnete das geschlossene Viereck mit dem Kreuzganz zu einem U-förmigen Bau. Es verblieb ein großer quadratischer Turm, auf den ein pagodenförmiges Dach mit einem Zinnenumlauf gesetzt wurde. Zusammen mit den in die Fassade eingelassenen Türmen erhielt die Anlage ihren romantischen Schlosscharakter, den sie bis heute bewahrt hat.

1902 übernahm Graf Alexander das Gut, das mit Ausbruch des 1. Weltkrieges in schwere wirtschaftliche Probleme geriet. Mit seinem Sohn, Friedrich Graf zu Münster, löste sich der große Besitz weiter auf. Der aufwendige Lebenswandel des in Berlin ansässigen Friedrichs verursachte in den 20er/30er Jahren enorme Schulden, die durch Kunst- und Landverkäufe gedeckt werden mussten. Friedrich verpachtete das Gut Derneburg-Astenbeck 1926 an den Schwaben Fritz Ruoff, der eine sehr intensive und erfolgreiche Wirtschaftsreform durchführte. Zu Beginn des 2. Weltkrieges wurde im Schloss ein Reservelazarett eingerichtet und für die Verstorbenen am Osthang des Donnerberges der Ehrenfriedhof angelegt. Nach dem Tod Friedrichs konnte sein in England lebender Bruder, Paul Graf zu Münster, sein Erbe erst nach Kriegsende antreten. Auf Grund einer Bodenreform verkaufte er den 1000-Morgen-Betrieb Derneburg an das Land Niedersachsen, das das Gut durch einen Verwalter bewirtschaftete. Sein Sohn Peter trat 1955 in Derneburg sein vorgezogenes Erbe an, baute eine groß angelegte Nelkenzucht auf, musste aber aus wirtschaftlichen Gründen 1971 das Astenbecker Brennereigut mit ca. 140 ha Ackerfläche verkaufen. Der einstmals riesige Grundbesitz war auf das Schloss und einen kleinen Teil des Parks zusammen zusammengeschrumpft.

Nachdem Derneburg fünf Generationen lang im Besitz der Familie Münster gewesen war, verkaufte Peter Graf zu Münster den letzten Besitz 1975 an Georg Baselitz, einen der renommiertesten zeitgenössischen Künstler Deutschlands. Georg Baselitz ließ 1995 das große Atelier im Schlosspark bauen. Er lebte und arbeite in Derneburg bis 2006. Im gleichen Jahr kam das Schloss in den Besitz des amerikanischen Kunstsammlers Andrew Hall, der zunächst die umfangreiche, zeitgenössische Kunstsammlung von Georg Baselitz und anschließend auch das Schloss und die Wirtschaftsgebäude der Domäne Derneburg erwarb. Die Fischteiche einschließlich der Wassermühle kaufte die Paul-Feindt-Stiftung. Die neu gegründete Schloss Derneburg Corporation hat das Schloss von Grund auf saniert und für die Präsentation von Ausstellungen umgebaut. Neben der Kunstsammlung von Andrew Hall werden hier Ausstellungen internationaler Künstler gezeigt.

Ton-Dia-Schau "... als hätte hier Natur gebaut" von 1986


 

Die Ton-Bild-Schau entstand 1986 im Rahmen des Projektes "Die Derneburger Lavesbauten" an der Hochschule in Hildesheim.

Produktion: Bernd Lewandowski