Zustimmung zur Kündigung schwerbehinderter Menschen beantragen
[Nr.99015005001000 ]
Urheber
Volltext
Schwerbehinderte Menschen und gleichgestellte behinderte Personen sind vor Kündigungen besonders geschützt. Deshalb müssen Sie die Zustimmung des Integrations- oder Inklusionsamtes einholen, bevor Sie die Kündigung aussprechen.
Die Zustimmung ist unabhängig vom Grund der beabsichtigten:
- Personenbedingten
- Betriebsbedingten
- Verhaltensbedingten
Kündigung erforderlich. Der Sonderkündigungsschutz gilt auch unabhängig davon, wie groß Ihr Betrieb ist.
Die Zustimmung des Integrations- oder Inklusionsamtes brauchen Sie bei allen Arten von Kündigungen, also bei:
- ordentlichen Kündigungen,
- außerordentlichen (fristlosen) Kündigungen sowie
- Änderungskündigungen.
Das Integrations- oder Inklusionsamt prüft neben dem Hauptgrund für die Kündigung auch weitere Punkte, bevor es entscheidet, ob die Kündigung rechtens ist, beispielsweise:
- Größe und wirtschaftliche Situation des Unternehmens
- Erfüllung der Beschäftigungspflicht
Sowie folgende Punkte über die schwerbehinderte Person:
- Art und Schwere der Behinderung,
- Alter,
- persönliche Verhältnisse
- die Dauer der Betriebszugehörigkeit und
- die Chancen, bei einer etwaigen Entlassung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt einen anderen Arbeitsplatz zu finden.
Insbesondere bei personen- und verhaltensbedingten Kündigungen wird die Kündigung im Kündigungsschutzverfahren geklärt. Geklärt wird unter anderem, was der Betrieb oder die Dienststelle und das betriebliche Integrationsteam unternommen haben, um die Kündigung zu verhindern, und ob präventive Maßnahmen ergriffen wurden.
Bei außerordentlichen (fristlosen) Kündigungen prüft das Integrations- oder Inklusionsamt, ob die Kündigung im Zusammenhang mit der Schwerbehinderung steht. Wenn das nicht der Fall ist, soll es der Kündigung zustimmen und eröffnet so den Gang zum Arbeitsgericht.
Eine Kündigung, die Sie ohne Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung (soweit im Betrieb vorhanden) aussprechen, ist unwirksam. Gibt es keine Schwerbehindertenvertretung im Unternehmen, dann gibt es keine Beteiligungspflicht.
Eine Kündigung, die ohne die vorherige Zustimmung des Integrations- oder Inklusionsamtes ausgesprochen wurde, ist ebenfalls unwirksam. Sie kann auch nicht nachträglich durch das Integrations- oder Inklusionsamt genehmigt werden.
Sie brauchen nur dann keine Zustimmung, wenn der oder die schwerbehinderte Beschäftigte:
- selbst kündigt,
- weniger als 6 Monate in Ihrem Betrieb arbeitet,
- das 58. Lebensjahr vollendet hat und einen Anspruch auf eine Abfindung oder ähnliche Leistung hat,
- bei Kündigung aus Witterungsgründen, wenn seitens der Arbeitgeberin oder des Arbeitgebers eine verbindliche Wiedereinstellungszusage gegeben wird,
- wenn zum Zeitpunkt der Kündigung der Status als schwerbehinderter Menschen nicht von den dafür zuständigen Behörden festgestellt werden konnte oder
das Arbeitsverhältnis ohne Kündigung, zum Beispiel durch einen Aufhebungsvertrag beendet wird.
Teaser
Wenn Sie einen schwerbehinderten Menschen oder eine gleichgestellte behinderte Person kündigen möchten, müssen Sie vorher die Zustimmung des Integrationsamtes (in Bayern und Nordrhein-Westfalen: Inklusionsamt) einholen.
Verfahrensablauf
Die Zustimmung zur Kündigung eines schwerbehinderten Menschen müssen Sie schriftlich beantragen:
- Kontaktieren Sie Ihr regionales Integrations- oder Inklusionsamt, um das Antragsformular auf Zustimmung zur Kündigung zu erhalten. Füllen Sie dieses vollständig aus und senden Sie es mit den erforderlichen Unterlagen an das Integrationsamt. Ein Formloser Antrag ist auch möglich
-
Nach Erhalt des Antrags auf Zustimmung zur Kündigung prüft das Integrationsamt den Sachverhalt. Dazu hört es den schwerbehinderten Menschen an und holt die Stellungnahme des Betriebs- oder Personalrates und der Schwerbehindertenvertretung ein.
- Tipp: Sie können im Vorfeld bereits selbst die Stellungnahme des Betriebs- oder Personalrates und der Schwerbehindertenvertretung einholen und Ihrem Antrag hinzufügen. Stellungnahme gegenüber dem Integrationsamt mit Datum der Antragstellung oder danach.
- Falls erforderlich, schaltet das Integrationsamt auch Fachkräfte ein (zum Beispiel den Integrationsfachdienst oder den Technischen Beratungsdienst) und holt weitere Stellungnahmen und Gutachten ein. Zur Sachverhaltsaufklärung kann es auch Zeugenvernehmungen durchführen.
- Das Integrationsamt ist verpflichtet, in jeder Lage des Verfahrens auf eine gütliche Einigung hinzuwirken. Das kann besonders gut in einer mündlichen Verhandlung mit allen Beteiligten geschehen.
- Im Rahmen einer gütlichen Einigung kann das Integrationsamt auch Leistungen der Begleitenden Hilfe im Arbeitsleben aus Mitteln der Ausgleichsabgabe anbieten, zum Beispiel zur behinderungsgerechten Arbeitsplatzgestaltung oder zum Ausgleich außergewöhnlicher Belastungen, die mit der Beschäftigung des schwerbehinderten Menschen verbunden sein können.
- Kommt eine gütliche Einigung nicht zustande, trifft das Integrationsamt nach pflichtgemäßem Ermessen und Abwägung der gegenseitigen Interessen der beiden Parteien eine Entscheidung über den Antrag. Bei Kündigungen in Zusammenhang mit Betriebseinstellungen, wesentlichen Betriebseinschränkungen und Insolvenzen gelten Sonderregelungen.
- Das Integrationsamt erlässt dazu einen Kündigungsbescheid, der adressiert ist an Sie als Antragsteller und gleichzeitig an den Beschäftigten als Verfahrensbeteiligten. Der Bescheid enthält neben der Entscheidung eine ausführliche Begründung und einen Rechtsbehelf.
Ansprechpunkt
Die Erteilung der Zustimmung erfolgt durch das Integrationsamt des Niedersächsischen Landesamts für Soziales, Jugend und Familie.
Erforderliche Unterlagen
- Schwerbehindertenausweis (wird nicht immer benötigt)
- Anerkennungsbescheid des Versorgungsamtes über die Schwerbehinderung (wird vom Integrationsamt bei Beschäftigten angefordert. Der Arbeitgeber hat keinen Anspruch auf dieses Dokument) (wird nicht immer benötigt)
- Gleichstellungsbescheid der Agentur für Arbeit (wird nicht immer benötigt)
- Tätigkeitsbeschreibung
- ausführliche Begründung der Kündigungsabsicht
Frist
Bei einer Zustimmung zur außerordentlichen (fristlosen) Kündigung, müssen Sie unverzüglich nach Zustimmung des Integrations- oder Inklusionsamtes die Kündigung aussprechen. Geschieht das nicht, ist die Zustimmung des Integrations- oder Inklusionsamtes hinfällig. Sie können dann nur noch ein neues ordentliches Kündigungsverfahren anstreben.
Bearbeitungsdauer
- 2 Woche(n)
- Bei einer Zustimmung zur außerordentlichen (fristlosen) Kündigung, entscheidet das Integrations- oder Inklusionsamt innerhalb von 2 Wochen nach Antragseingang. Eine Zustimmung gilt als erteil, wenn innerhalb dieser Frist eine Entscheidung nicht getroffen wird.
- 1 Monat(e)
- Das Integrations- oder Inklusionsamtes soll die Zustimmung zur ordentlichen Kündigung innerhalb 1 Monats erteilen. Dafür müssen dem Integrations- oder Inklusionsamt alle Informationen vorliegen, die es benötigt, um eine rechtssichere Entscheidung treffen zu können.
Rechtsgrundlage(n)
- § 168 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX)
- § 169 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX)
- § 170 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX)
- § 171 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX)
- § 172 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX)
- § 173 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX)
- § 174 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX)
- § 175 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX)
Fachliche Freigabe
Fachlich freigegeben durch:
Niedersächsisches Ministerium für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Gleichstellung